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Berufskrankheiten > Wer ist für die wissenschaftliche Begründung von Berufskrankheiten zuständig? > Medizinische Fachgesellschaften: Wissenschaftliche Gesellschaften?
Zuletzt geändert am 16.8.2010
Beispiel 2: Personelle Verflechtung mit den BGen
Wenn von medizinischen Fachgesellschaften mit wissenschaftlichem Anspruch die Rede ist, so würde man annehmen, es handle sich dabei um eine Vereinigung von Medizinern, die - da im gleichen medizinischen Fachgebiet tätig - sich zu einem wissenschaftlichen Meinungs- und Erfahrungsaustausch sowie zu einer gemeinsamen Interessensvertretung ihres Fachgebietes zusammengefunden haben.
Eine wohlmeinende, leider aber irrige Annahme, wie das Beispiel der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie zeigt.
Im Internetauftritt der Gesellschaft wird dargelegt, dass es nach ihrer Satzung Kommissionen gibt. "Die Kommissionen beraten das Präsidium und erarbeiten Empfehlungen auf ihrem Gebiet. Die Satzung sieht folgende Kommissionen vor: Aufnahmekommission, Kommission für wissenschaftliche Preise, Kommission für Reisestipendium, Kommission für Gebührenordnungsangelegenheiten und die Kommission für Rechtsfragen (letztere arbeitet zur Zeit nicht). Ferner kann das Präsidium weitere Kommissionen bilden, wie bei der Kommission Gutachten geschehen." ( http://www.dgu-online.de/de/dgu/gruppierungen/kommissionen/index.jsp)
In der Internetdarstellung (Aktualisierungsstand: 9.6.2010) kann man sich die personelle Zusammensetzung eben dieser, vom Präsidium gebildeten Kommission Gutachten ansehen und sich überraschen lassen. Ausgewiesen, mit diesem Aktualisierungsstand, werden für die Kommission mit Stand: 6.8.2009 die folgenden Mitglieder aufgeführt:
· Achim BACKENDORF, Abteilungsleiter Sozialpolitik beim Sozialverband VdK Deutschland e.V., Bonn
· Prof. Dr. jur. S.BRANDENBURG, Geschäftsführer d. BG Gesundheitsdienst u. Wohlfahrtspflege, Hamburg
· Dr. med. Volker DITTRICH, Chefarzt alpha REHA, EuromedClinic, Fürth
· Prof. Dr. med. J.P. EITENMÜLLER, Chefarzt a.D., Medizinisches Gutachteninstitut Castrop-Rauxel
· Dr. jur. U. FREUDENBERG, Richter am Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Ratingen
· Dr. med. Peter W. GAIDZIK, Rechtsanwalt und Arzt, Hamm
· Dr. med. V. GROSSER, Leiter des Gutachtenbereiches am Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhaus Hamburg
· PD Dr. med. M. GROTZ, Medizinischer Dienst der Krankenversicherungen Niedersachsen - Geschäftsbereich Consulting, Hannover
· Prof. Dr. med. HEMPFLING, Leitender Arzt Abt. Arthroskopische Chirurgie der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Murnau
· Dr. med. Christoph HIRGSTETTER, München
· Dr. jur. V. KAISER, Grafenau
· Prof. Dr. med. H.-J. KOCK, Chefarzt der Klinik für Orthopädische Chirurgie und Unfallchirurgie Hochtaunus-Kliniken gGmbH, Bad Homburg
· Dr. A. KRANIG, Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, St. Augustin
· Dr. med. E. LUDOLPH, Institut für Ärztliche Begutachtung, Düsseldorf
· Prof. Dr. med. Axel RÜTER, Ärztl. Direktor i.R., Neusäß
· Prof. Dr. med. M. SCHILTENWOLF, Orthopädische Univ. Klinik Heidelberg, Abteilung Orthopädie I
· Dr. jur. J. SCHÜRMANN, Beirat BGU Duisburg GmbH, Haan
· Dr. med. F. SCHRÖTER, Institut für Medizinische Begutachtung, Kassel, Stellvertretender Leiter der Kommission
· Dr. med. Lutz SÜSSE, Praxis für Medizinische Begutachtung, Berlin
· Dr. med. A. VOIGT, Chir.Klinik II - Unfallchir., Diakonie-Krankenhaus, Schwäbisch Hall
· Prof. Dr. Kuno Weise, Ärztlicher Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen, Vorsitzender der Kommission
· PD Dr. med. M.E. WENZL, Direktor der Chirurgischen Klinik II, Klinikum Ingolstadt GmbH, Ingolstadt
Die Kommission umfasst also gegenwärtig 22 Personen. Betrachtet man die Zusammensetzung etwas näher, so ergibt sich:
Ob ein solchermaßen besetztes Gremium die Neutralität gewährleistet, wie sie von Wiester, Keller u.a. gefordert wurde, kann bezweifelt werden. Entsprechend erfüllen die, von dieser medizinischen Fachgesellschaft aufgestellten Leitlinien dann aber auch keineswegs die richterlich gestellten Anforderungen.
Entgegen dieser Bedenken, darf der Einfluss dieser Kommission nicht unterschätzt werden. Sie hat sich selbst einen umfangreichen Aufgabenkatalog gegeben, der auch noch erweitert werden sollen und unterschiedlichste Themen umfasst (siehe: http://www.dgu-online.de/de/dgu/gruppierungen/kommissionen/gutachten.jsp).
Es wird dort u.a. aufgeführt:
Dass es dem Gremium um eine inhaltliche Einflussnahme auf die rechtliche Interpretation des Berufskrankheitenrechtes geht zeigt schließlich auch der Verweis auf die Veröffentlichungen zu brisanten Themen des BK-Rechts: Bisherige Publikationen beschäftigen sich mit der Begutachtung des Rotatorenmanschetten-Schadens, der Begutachtung des vorderen Kreuzbandes, dem Stellenwert des Kernspintomogramms für die Begutachtung, Empfehlungen zur Begutachtung bei Verletzungen der Halswirbelsäule. Begutachtung des Knorpelschadens, die interkarpalen Bandschäden und ihre Begutachtung, die Begutachtung des Diskusschadens am Handgelenk und die Beanspruchung des Kniegelenkes durch Kniebeugung als Präarthrose. Hier werden also Vorgaben formuliert, die bei der Anerkennung von Berufskrankheiten eine erhebliche Rolle spielen. Im einzelnen BK-Fall wird aber nicht mehr bedacht wie unter welchen Bedingungen diese Vorgaben formuliert wurden.
Soweit zur Neutralität und zur Ausgewogenheit von Leitlinien.
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